Wir arbeiten am Zertifikat „Schreibmotorikschule“ für die Handschrift und Feinmotorik unserer Kinder.
Die Schreibmotorik der Kinder zu verbessern und die Bewegungsabläufe zu automatisieren ist das Ziel dieses Projektes.
Auch im digitalen Zeitalter ist es notwendig, durch die richtige Hand- und Sitzhaltung ein zügiges, lesbares, ermüdungs- und schmerzfreies Schreiben mit der Hand zu erlernen.
Die Grund- und Mittelschule Aitrachtal ist landkreisweit die einzige Schule, die für die Teilnahme am Projekt ausgewählt wurde.
Seitens der Elternvertreter und Lehrkräfte wurde Bedarf festgestellt, die Handschrift der Schüler zu fördern und nach einem geeigneten Projekt gesucht.
Das Zertifikat „Schreibmotorikschule“ ist ein von der Europäischen Kommission gefördertes Erasmus-Plus-Projekt, für das sich Schulen aus Deutschland, Frankreich und Luxemburg bewerben können.
Der Zertifizierungsprozess dauert zwei Jahre, die Grund- und Mittelschule Aitrachtal befindet sich derzeit im zweiten Jahr und rechnet damit, dass alle für die Zertifizierung erforderlichen Schritte im Mai 2026 abgeschlossen sind.
Diese Schritte sind:
- Onlinekurse und Workshops in Präsenz für Lehrkräfte
- Kooperationen mit Eltern, Kindergärten und externen Partnern
- Einsatz von fächerübergreifendem Übungsmaterial in verschiedenen Jahrgangsstufen
- die Erprobung und Evaluierung der Übungen im Unterricht
An der Schule etablierte sich die Steuergruppe Schreibmotorik, unter Leitung von Schulleiterin Lucia Wuddi und Alexandra Held.
Die Mitglieder der Steuergruppe besuchen die Fortbildungen, tragen die Informationen ins Lehrerkollegium weiter und kümmern sich um die Materialien.
Als externer Partner konnte die Physioklinik im Aitrachtal gewonnen werden, deren Motivation es ist, präventiv durch richtige Bewegungsabläufe beim Schreiben, sowie durch richtiges Sitzen vor möglichen Schäden zu bewahren.
Im Rahmen eines Elternabends etwa informierte Physiotherapeut Mirco Hoffmann dazu durch einen Fachvortrag, in den er anschaulich praktische Anwendungsbeispiele integrierte.
Physiotherapeut Mirco Hoffmann zeigte, wie man spielerisch die Finger trainieren kann: Ein aufgeschlitzter Tennisball wird durch Fingerdruck „zum Sprechen gebracht“.
Weiterer externer Partner ist der Kindergarten „Haus für Kinder“.
Mitarbeiterinnen des Kindergartens „Baumhauskinder“ und des künftigen Waldkindergartens „Unterm Blätterdach“ nahmen an dem Elternabend teil und informierten sich dort eingehend. Durch ihren spielerischen Charakter und die unkomplizierte Umsetzbarkeit lassen sich viele der Methoden problemlos in die Kindergartenpädagogik integrieren, um so die Kinder, insbesondere die Vorschulkinder, gut auf den Schulstart vorzubereiten.
Birgit Kerscher, Katrin Kammerl, Alexandra Held, Ursula Sagmeister, Martina Nowack, Lucia Wuddi , Claudia Bischoff und Theresa Babel stellten das Projekt beim Elternabend vor.
An der Schule werden die empfohlenen Materialien und Übungen in den verschiedenen Jahrgangsstufen schon eifrig erprobt.
Nicht nur, dass es im Rahmen von Schulaufgaben und Prüfungen notwendig ist, eine geübte Handschrift zu haben, „auch macht das Schreiben mit der Hand schlau“, erklärt Schulleiterin Lucia Wuddi.
Im Gegensatz zum Tippen auf der Tastatur bleibe das Handgeschriebene als Gedächtnisspur besser im Gehirn verankert, wie Studien mit Studierenden belegten. Beim Schreiben mit der Hand werden zwölf verschiedene Hirnareale miteinander verknüpft, das Zusammenspiel von 30 Muskeln und 17 Gelenken ist erforderlich.
Es geht dabei nicht darum, dass die Kinder schreiben, schreiben und nochmal schreiben, vielmehr handelt es sich um zahlreiche spielerische Übungen, die – von den Lehrkräften bewusst, von den Kindern häufig sogar ‚unbemerkt‘ – in den Unterricht integriert werden“ beschreiben die Mitglieder der Steuergruppe Alexandra Held und Claudia Bischoff.
Solche Übungen bieten sich in allen Fächern an.
Im Deutschunterricht werden nicht nur verschiedene Schwungübungen eingebaut, sondern mitunter sollen die Kinder Begriffe mit Wäscheklammern an einer Schnur befestigen. Eigentlich banal, aber das Betätigen einer simplen Wäscheklammer beansprucht zahlreiche Muskeln und Fingergelenke, die beim Schreiben eine zentrale Rolle spielen.
Um eine lockere Stiftführung zu fördern und ein Verkrampfen beim Schreiben zu verhindern, kann Moosgummi unter das Blatt Papier gelegt werden, mit dem Ziel, beim Schreiben das Papier nicht durchzudrücken.
In Mathematik rücken vor allem in der Geometrie Aspekte wie Symmetrie und Genauigkeit in den Vordergrund.
Im Musikunterricht kann schwungvolle Musik bildlich mit ebenso schwungvollen farbigen Linien dargestellt werden.
Auch das Spielen am Xylophon trainiert alle Fähigkeiten, die Voraussetzung sind für eine gesunde Schreibmotorik.
In Werken und Gestalten hilft „alles was futzelig ist“, also alle feinmotorischen Methoden vom Prickeln über das Aufstecken von Bügelperlen bis hin zum Sticken. Insbesondere der häufige Einsatz des Pinzettengriffs, des Griffs mit Daumen und Zeigefinger, unterstützt bei der Verbesserung der Schreibmotorik.
Im Sportunterricht kann die Auge-Hand-Koordination mit Schwungbändern oder Jonglierbällen trainiert werden.
Da das Thema Schreibmotorik eine gesunde Sitzhaltung beinhaltet, können alle Übungen zur Förderung der Rumpfstabilität aufgezählt werden, wie beispielsweise das Stehen auf dem Wackelbrett.
Für die Evaluation ist ein wichtiger Bestandteil, die Übungen anschließend mit den Kindern zu besprechen und gemeinsam zu erarbeiten, warum dieses Spiel oder diese Übung wichtig sein kann, um seine Handschrift zu verbessern.
Die Methoden sind kreativ, vielfältig, erweiterbar und können oft auch zu Hause geübt werden.
Sie sind nicht nur für Kinder interessant, auch Eltern finden oft die Frage spannend: „Kann ich das eigentlich noch?“, wie es sich auch am beschriebenen Elternabend zeigte.
Sogar Seniorenheime arbeiten teilweise mit den gleichen Methoden, um die Fingerfertigkeit oder die Hand-Augen-koordination der Senioren bis ins hohe Alter zu erhalten und Eigenständigkeit (beispielsweise selbstständiges Essen) zu ermöglichen.
An der Grund- und Mittelschule Aitrachtal ist man überzeugt vom Erfolg des Projekts, freut sich über die bisherige positive Resonanz und sieht der abschließenden Zertifizierung optimistisch entgegen.
Quelle: Dingolfinger Anzeiger; Kathrin Boneder
Fotos: Alexandra Held